Langzeitstudie zum Schüler- und Kulturaustausch
Im Juni 2003 startete der unabhängige Bildungsberatungsdienst weltweiser® in Kooperation mit der Kieler Austauschorganisation KulturLife gGmbH eine auf zunächst fünf Jahre angelegte Langzeitstudie zum Schüler- und Kulturaustausch. Vor dem Hintergrund der großen Resonanz auf die Studie wird diese nunmehr zeitlich unbegrenzt fortgesetzt und in regelmäßigen Abständen ausgewertet. Die Ergebnisse werden im "Handbuch Fernweh" respektive auf www.austauschumfrage.de präsentiert. Auf dieser Homepage besteht auch die Möglichkeit, sich an der Langzeitstudie zu beteiligen. KulturLife und weltweiser® möchten sich bei all denen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, insgesamt 75 Fragen zu beantworten und überdies meist auch noch die Kommentarfelder mit Inhalt zu füllen. Erst sie haben diese Studie ermöglicht!
Hintergrund
Ziel der Langzeitstudie ist es, Erfahrungen und Einschätzungen möglichst vieler ehemaliger Austauschschüler/innen zu sammeln und auszuwerten, um
- mögliche positive wie negative Kurz- und Langzeitaspekte von mehrmonatigen Auslandsaufenthalten mit empirischen Daten zu belegen
- Jugendlichen (und ihren Eltern) Entscheidungshilfen für oder gegen die Teilnahme an einem Schüleraustauschprogramm an die Hand zu geben
- die Betreuung zukünftiger Programmteilnehmer/innen vor, während und nach ihrem Auslandsaufenthalt zu optimieren.
Ein Austauschschüler ist nach der dieser Studie zugrunde liegenden Definition ein Jugendlicher im Alter zwischen 13 und 19 Jahren, der während seines mindestens dreimonatigen Auslandsaufenthalts in einer Gastfamilie bzw. einem Internat gelebt und regelmäßig eine allgemein bildende Schule besucht hat.
(Wenn "Schüleraustausch" im eigentlichen Sinne ein Programm auf Gegenseitigkeit beschreibt, so hat sich dieser Begriff in der Praxis auch für Programme eingebürgert, bei denen kein Gegenbesuch erfolgt - und wird in dieser Studie auch für diese Art des Kulturaustauschs benutzt.)
Datenbasis
354 ehemalige Austauschschüler/innen, die mit 52 unterschiedlichen Austauschorganisationen im Ausland waren, haben sich bisher (Stand 1.12.2008) an der Studie beteiligt - und bilden die Datenbasis für diese Auswertung. Weitere 29 Fragebögen wurden nicht berücksichtigt, da die Angaben zu lückenhaft waren.
Gut 42 Prozent der Studienteilnehmer waren im Schuljahr 2003/2004 Austauschschüler, 20 Prozent danach, 25 Prozent in den Schuljahren 2000/01, 2001/02 und 2002/03 sowie 9 Prozent in den 1990er Jahren. Drei Teilnehmer waren bereits vor 1979 Austauschschüler und neun in den 1980er Jahren.
75 Prozent der Fragebögen wurden von Frauen ausgefüllt, was die weibliche Dominanz in Schüleraustauschprogrammen widerspiegelt. Allerdings ist eine (leichte) Unterrepräsentanz der männlichen Programmteilnehmer in dieser Studie festzustellen. Zum Vergleich: die von weltweiser® jährlich durchgeführten Umfragen unter allen deutschen Austauschorganisationen im Rahmen der Aktualisierung des "Handbuch Fernweh" ergeben, dass gut 65 Prozent der Programmteilnehmer an mehrmonatigen Schüleraustauschprogrammen Mädchen sind.
69 Prozent der Studienteilnehmer waren in Nordamerika (57 Prozent USA, 12 Prozent Kanada) platziert, 6 Prozent in Neuseeland und 4,5 Prozent in Australien. Dies deckt sich relativ genau mit dem Anteil der deutschen Jugendlichen, die in den Jahren des Auslandsaufenthalts der Befragten an einem Schüleraustauschprogramm mit mindestens dreimonatigem Besuch einer öffentlichen Schule teilgenommen haben.
Diese und viele weitere Indizien sprechen dafür, dass die nach fünf Jahren vorhandene Datenbasis dieser Studie den langfristigen Schüler- und Kulturaustausch ziemlich genau abbildet.
Ergebnisse der Studie
- Über 90 Prozent der Studienteilnehmer würden - trotz ggf. durchlebter Probleme während ihres Auslandsaufenthalts - wieder an einem Schüleraustauschprogramm teilnehmen, wobei 24 Prozent in der Retrospektive ein anderes Gastland wählen würde.
3 Prozent würden hingegen nicht mehr an einem solchen Programm teilnehmen, weil es ihnen auf verschiedene Weise geschadet hat. Knapp 7 Prozent äußern sich nicht zu dieser Frage.
- Über 80 Prozent der Befragten hatten bereits spätestens einen Monat nach ihrer Ankunft "intensiven Kontakt" zu ihren Mitschülern, wobei es dann naturgemäß bei den meisten Programmteilnehmern noch eine ganze Weile dauerte, bis sich daraus ein "richtiger Freundeskreis" entwickelte: Nach drei Monaten hatten dies aber immerhin bereits 73 Prozent der Befragten geschafft. Rund 12 Prozent der Befragten gaben an, dass sie 5 Monate und länger für den Aufbau eines Freundeskreises brauchten, über 5 Prozent sogar, dass sie auch am Ende ihres Austauschjahres noch "keine richtigen" Freunde gehabt hätten.
- Dass ein Schüler- und Kulturaustausch nicht immer leicht ist, zeigt sich wie folgt: 40 Prozent aller Studienteilnehmer durchliefen nach eigener Auskunft eine Phase, die man gemeinhin als Kulturschock bezeichnet. Zusätzlich gaben jedoch auch über 40 Prozent der Studienteilnehmer an, die die Frage nach dem Kulturschock verneinten bzw. nicht beantworteten, dass sich die ersten Wochen und Monate im Gastland in auffälliger Weise physisch bzw. psychisch auf ihren Körper auswirkten, vor allem in Form von Müdigkeit, Traurigkeit bis hin zur Depression, Antriebslosigkeit oder starken Gewichtsschwankungen in beide Richtungen. 21 Prozent aller Studienteilnehmer spielten sogar irgendwann mit dem Gedanken, das Programm abzubrechen, was jedoch nur vier Befragte dann auch tatsächlich taten.
- 27 Prozent der Befragten wechselten die Gastfamilie, über 7 Prozent sogar mehrmals. Bevor eine Gastfamilie gewechselt werden konnte, musste man aber zunächst einmal bei einer Familie platziert werden. 31 Prozent der Teilnehmer warteten noch vier Wochen vor der Abreise auf eine Familie, 20 Prozent hatten zwei Wochen vor der Abreise noch keine Platzierung, während 16 Prozent sogar eine Woche vor der Abreise noch immer ohne Familie dastand. Diejenigen, die die Adresse ihrer Gastfamilie weniger als vier Wochen vor dem Abflug erhielten, berichteten jedoch fast übereinstimmend, dass es abgesehen von der Nervosität, der vorübergehenden Selbstzweifel und dem Problem, den Koffer nicht frühzeitig und richtig gepackt zu haben, keinerlei Nachteile hatte, die Familienadresse erst so spät zu bekommen. Bei den "Frühplatzierten" waren hingegen über 50 Prozent der Meinung, dass es von Vorteil war, die Gastfamilienadresse frühzeitig erfahren zu haben.
- Rund 10 Prozent der Befragten besuchten eine Schule mit maximal 200 Schülern, weitere 23 Prozent mit maximal 500 Schülern, 35 Prozent eine Schule mit mehr als 1.000 Schülern. Ein Drittel aller Studienteilnehmer wohnten in Orten bis maximal 10.000 Einwohnern, ein weiteres Drittel in Städten mit einer Einwohnerzahl von bis zu 100.000, 10 Prozent in Metropolen mit 1.000.000 und mehr Einwohnern.
- Vor dem Hintergrund des Abschneidens deutscher Schüler/innen bei den PISA-Studien war es interessant festzustellen, dass mit 85 Prozent eine sehr große Mehrheit der Studienteilnehmer (längst nicht alles "sehr gute" bzw. "gute" Schüler), das "akademische Niveau" der im Ausland besuchten Schule als niedriger im Vergleich zu ihrer in Deutschland besuchten Schule einstufte. Gleichzeitig fand jeder Vierte die "schulischen Anforderungen" im Ausland jedoch schwieriger als in Deutschland. Viele der Befragten gaben erklärend an, dass man an der von ihnen im Ausland besuchten Schule lediglich auswendig lernen, aber nicht selbstständig denken musste. Gleichzeit waren 65 Prozent der Befragten aber der Meinung, dass man an den ihnen bekannten Schulen im Ausland "mehr fürs Leben" lernt, da sie praxisorientierter wären und eine größere Fächervielfalt böten.
- 82 Prozent der Befragten fühlten sich von ihrer deutschen Organisation ausreichend auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet. Lediglich 11 Prozent waren nicht bzw. nicht ganz mit der Arbeit der von ihnen gewählten Organisation zufrieden. Während die Zufriedenheit mit der deutschen Austauschorganisation im Allgemeinen sehr hoch ist, waren 32 Prozent der Studienteilnehmer mit der Betreuung im Gastland durch die Partnerorganisation eher unzufrieden. Der Grund hierfür war nicht schwer zu finden: Knapp 15 Prozent der Befragten lernten ihren lokalen Betreuer in den ersten vier Wochen nicht persönlich kennen. Während zumindest rund 50 Prozent der Studienteilnehmer mindestens einmal im Monat Kontakt in Form eines Telefonats oder eines persönlichen Treffens hatten, gab die andere Hälfte aller Befragten an, ihren Betreuer während des gesamten Aufenthalts lediglich ein bis zweimal gesehen zu haben. 23 Befragte bekamen ihren Betreuer überhaupt nicht zu Gesicht.
Obwohl es nach fast einhelliger Meinung der Studienteilnehmer nicht immer einfach ist, Austauschschüler zu sein, würden fast alle Befragten anderen Jugendlichen raten, nach Möglichkeit an einem mehrmonatigen Schüleraustauschprogramm teilzunehmen.
Für sehr viele der Befragten war der Schüleraustausch die "beste", "genialste", "faszinierendste" oder schlicht "schönste" Zeit ihres Lebens. Der meist genannte Ratschlag an zukünftige Austauschschüler lautete: "Seid offen für Neues!"
Erster Zwischenbericht vom November 2006
Nach dreijähriger Laufzeit kann nunmehr ein erster Zwischenbericht präsentiert werden. Viele Indizien sprechen dafür, dass bereits die derzeit vorhandene Datenbasis den langfristigen Schüler- und Kulturaustausch ziemlich genau abbildet.
Im Folgenden sollen einige ausgewählte Facetten von Schüleraustauschprogrammen dargestellt werden. Zuvor möchten sich KulturLife und weltweiser® aber bei all denen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, insgesamt 75 Fragen zu beantworten und überdies meist auch noch die Kommentarfelder mit Inhalt zu füllen. Erst sie haben diese Studie ermöglicht! Die Studie wird nunmehr fortlaufend ausgewertet und präsentiert.
Datenbasis
296 ehemalige Austauschschüler/innen, die mit 36 unterschiedlichen Austauschorganisationen im Ausland waren, haben sich bisher an der Studie beteiligt (Stand 31.7.2006). 74 Prozent der Studienteilnehmer waren in Nordamerika (62% USA, 12% Kanada) platziert, was sich relativ genau mit dem Anteil der deutschen Jugendlichen deckt, die in den letzten Jahren an einem Schüleraustauschprogramm mit mindestens dreimonatigem Besuch einer öffentlichen Schule teilgenommen haben. 86 Prozent der Fragebögen wurden von Mädchen ausgefüllt, was die weibliche Dominanz in Schüleraustauschprogrammen widerspiegelt. Allerdings ist eine (leichte) Unterpräsenz der männlichen Programmteilnehmer in dieser Studie fest zu stellen, da real von "nur" rund 65 bis 70 Prozent weiblicher Programmteilnehmer auszugehen ist.
Ergebnisse der Studie
- Über 95 Prozent der Studienteilnehmer würden - trotz ggf. durchlebter Probleme während ihres Auslandsaufenthalts - wiederum an einem Schüleraustauschprogramm teilnehmen, wobei über 20 Prozent in der Retrospektive ein anderes Gastland wählen würden.
- Über 80 Prozent der Befragten hatten bereits spätestens einen Monat nach ihrer Ankunft "intensiven Kontakt" zu ihren Mitschülern, wobei es dann naturgemäß bei den meisten Programmteilnehmern noch eine ganze Weile dauerte, bis sich daraus ein "richtiger Freundeskreis" entwickelte: Nach drei Monaten hatten dies aber immerhin bereits gut 75 Prozent der Befragten geschafft. Über 10 Prozent der Befragten gaben jedoch an, dass sie auch am Ende ihres Austauschjahres noch "keine richtigen" Freunde gehabt hätten.
- Dass ein Schüler- und Kulturaustausch nicht immer leicht ist, zeigt sich wie folgt: 60 Prozent aller Studienteilnehmer durchliefen eine Phase, die man gemeinhin als Kulturschock bezeichnet. Bei über 40 Prozent der Studienteilnehmer wirkten die ersten Wochen und Monate im Gastland sogar in auffälliger Weise physisch bzw. psychisch auf ihren Körper ein, z.B. in Form von Traurigkeit bis hin zur Depression, Euphorie, Müdigkeit und Antriebslosigkeit oder starken Gewichtsschwankungen in beide Richtungen. Rund 20 Prozent aller Studienteilnehmer spielten sogar irgendwann mit dem Gedanken, das Programm abzubrechen, was jedoch nur drei Befragte dann auch tatsächlich taten.
- Rund 25 Prozent der Befragten wechselten die Gastfamilie. Bevor eine Gastfamilie gewechselt werden konnte, musste man aber zunächst einmal bei einer Familie platziert werden. Rund 35 Prozent warteten noch vier Wochen vor der Abreise auf eine Familie, und jeder Vierte hatte zwei Wochen vor der Abreise noch immer keine Platzierung, während knapp 15 Prozent sogar eine Woche vor der Abreise noch immer ohne Familie dastanden. Diejenigen, die die Adresse ihrer Gastfamilie weniger als vier Wochen vor dem Abflug erhielten, berichteten jedoch fast übereinstimmend, dass es abgesehen von der Nervosität, der vorübergehenden Selbstzweifel und dem Problem, den Koffer nicht frühzeitig und richtig gepackt zu haben, keinerlei Nachteile hatte, die Familienadresse erst so spät zu bekommen. Bei den "Frühplatzierten" waren hingegen nur knapp 30 Prozent der Meinung, dass es von Vorteil war, die Gastfamilienadresse frühzeitig erfahren zu haben.
- Über 20 Prozent der Befragten besuchten eine Schule mit maximal 200 Schülern, weitere 20 Prozent mit maximal 500 Schülern, über 30 Prozent eine Schule mit mehr als 1.000 Schülern. Wohnhaft waren insgesamt fast 40 Prozent der Studienteilnehmer in Orten bis maximal 10.000 Einwohnern. In Städten mit über 100.000 Einwohnern waren gut 25 Prozent der Befragten platziert.
- Vor dem Hintergrund des Abschneidens deutscher Schüler/innen bei den PISA-Studien war es interessant fest zu stellen, dass eine sehr große Mehrheit der Studienteilnehmer (längst nicht alles sehr gute" bzw. "gute" Schüler), das "akademische Niveau" der im Ausland besuchten Schule als niedriger im Vergleich zu ihrer in Deutschland besuchten Schule einstufte. Nur rund 15 Prozent fanden die Schule im Ausland schwieriger als in Deutschland. Sehr viele der Befragten gaben erklärend an, dass man an der von ihnen im Ausland besuchten Schule lediglich auswendig lernen, aber nicht selbstständig denken musste. Gleichzeit waren sich die Befragten (überwiegend Gymnasiasten) aber nahezu einig in dem Punkt, dass man an den ihnen bekannten Schulen im Ausland "mehr fürs Leben" lerne, da sie praxisorientierter wären und eine größere Fächervielfalt böten.
- Rund 75 Prozent der Befragten fühlten sich von ihrer deutschen Organisation ausreichend auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet. Über ein Drittel der Studienteilnehmer vergaben die Höchstnote bezüglich der Zufriedenheit mit dem deutschen Veranstalter, lediglich knapp 10 Prozent waren nicht bzw. nicht ganz mit der Arbeit der von ihnen gewählten Organisation zufrieden. Während die Zufriedenheit mit der deutschen Austauschorganisation im Allgemeinen sehr hoch ist, waren knapp 30 Prozent der Studienteilnehmer mit der Betreuung im Gastland eher unzufrieden. Der Grund hierfür war nicht schwer zu finden: Knapp 15 Prozent der Befragten lernten ihren lokalen Betreuer in den ersten vier Wochen nicht persönlich kennen. Während zumindest rund 50 Prozent der Studienteilnehmer mindestens einmal im Monat Kontakt in Form eines Telefonats oder eines persönlichen Treffens hatten, gab die andere Hälfte aller Befragten an, ihren Betreuer während des gesamten Aufenthalts lediglich ein bis zweimal gesehen zu haben. 15 Prozent sahen ihren Betreuer lediglich bei der Ankunft am Flughafen - und dann überhaupt nicht mehr. 13 Befragte bekamen ihren Betreuer überhaupt nicht zu Gesicht.
- Irgendwelche statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Antworten der Studienteilnehmern, die an dem Programm einer gemeinnützigen Austauschorganisation teilnahmen, und denjenigen, die mit einer nicht gemeinnützigen Austauschorganisationen ins Ausland gingen, konnten nicht festgestellt werden.
Obwohl es nach fast einhelliger Meinung der Studienteilnehmer nicht immer einfach ist, Austauschschüler zu sein, würden fast alle anderen Jugendlichen raten, nach Möglichkeit an einem mehrmonatigen Schüleraustauschprogramm teilzunehmen. Für sehr viele der Befragten war der Schüleraustausch die "beste", "genialste", "faszinierendste" oder schlicht "schönste" Zeit ihres Lebens. Der meist genannte Ratschlag an zukünftige Austauschschüler lautete: "Seid offen für Neues!"